Kann
der Mensch, wenn er eine bestimmte Tätigkeit beginnt, beispielsweise
Fremdsprachenlernen oder Wissenschaft, seine Aufmerksamkeit weg von
seinem Konzentrationsobjekt auf diese Tätigkeit lenken?
Ja, natürlich. Die Praxis der
Konzentration, wie jede beliebige Technik, fördert die
Konzentrationsfähigkeit. Das ist das, was dem Menschen Konzentration
beibringt, das, was den Menschen lehrt, seinen Verstand zu
konzentrieren, seine Gefühle zu kontrollieren. Sobald der Mensch
diese Fähigkeit bekommt, kann sie sich im alltäglichen Leben
entfalten. Das heißt, der Mensch geht all seine Tätigkeiten
konzentriert an. Was auch immer der Mensch tut, wird er konzentriert
ausführen. Das wird eben die Konzentration sein. Meistens jedoch
gelingt es den Menschen nicht von Anfang an. Und dafür gibt es
Techniken, um diese Fähigkeit zu entwickeln. Wenn die Fähigkeit
aber schon weit entwickelt ist, kann ein solcher Mensch buchstäblich
in jeder Lebenslage praktizieren. Es ist ungefähr so, als wenn ein
Mensch seine Muskeln mit irgendwelchen Geräten trainiert, die nicht
unbedingt einen Bezug zum realen Leben haben, dann jedoch, wenn der
Körper durchtrainiert ist, einen großen Nutzen davon auch im
materiellen Leben erfährt. Genauso wird ein Mensch, der seine
Konzentrationsfähigkeit in sich entwickelt hat, so dass die
Konzentration und die innere Gesammeltheit für ihn zum natürlichen
Zustand geworden sind, alle Aufgaben innerlich gesammelt angehen.
Sprich,
man sollte einfach zuerst versuchen, bestimmte Lebensumstände in den
Hintergrund zu drängen, sich in die Praxis zu vertiefen, um danach
die Probleme angehen zu können. Das heißt, sein Tätigkeitsfeld
einschränken.
Ja,
natürlich. Man sollte keinen Konflikt schaffen nach dem Motto: "Ich
bin ein Mönch, ab jetzt werde ich jegliche Tätigkeiten einstellen".
Aber man sollte sich auch nicht von äußeren Umständen leiten
lassen. Der Verstand wird unzählige Tricks erfinden, sobald er
verspürt, dass jemand versucht ihn in den Griff zu bekommen. Zum
Beispiel Tricks im Sinne von "ich habe schon etwas erreicht"
oder "ich meditiere" oder "ich konzentriere mich"...
Der Verstand fängt an, eine Vielzahl an Ideen anzubieten, damit der
Mensch sie verdauen kann. Er wird alles tun, damit der Mensch aufhört
zu praktizieren. Deshalb sollte man immer auf der Hut sein und mit
der Praxis der Konzentration auf keinen Fall aufhören. Man sollte
den Moment fühlen, wenn der Verstand versucht, die Oberhand zu
gewinnen. Dafür gibt es die Praxis der Konzentration. Nicht ohne
Grund betone ich die Konzentrationstechniken, die sich auf ganz
bestimmte, handfeste Objekte beziehen. Ich lehnte immer diejenigen
Techniken ab, die auf Visualisierungen basieren, die mit
irgendwelchen mentalen Vorstellungen verbunden sind, mit Bildern,
weil der westliche Mensch meistens nicht in der Lage ist, mit
irgendwelchen Bildern zu arbeiten - er wird sich da ganz leicht
verirren. Wenn der Mensch aber mit einer Konzentrationstechnik wie
beispielsweise der Atmung zu tun hat… die Atmung ist ja immer da.
Der Mensch kann immer mit Gewissheit sagen, ob er seine Atmung
beobachtet oder nicht. Ich biete immer eben nur die Techniken an, bei
denen der Mensch mit Gewissheit behaupten kann, ob er sich gerade
konzentriert oder nicht konzentriert.
Und
alles Weitere kommt nur auf den Menschen selbst an: ob er das machen
wird oder nicht. Deshalb wird sich diese Fähigkeit im Alltag selbst
entfalten. Die Menschen, die Fremdsprachen lernen, berichten, dass
sie auch in einer Fremdsprache zu denken beginnen, wenn sie sie in
Perfektion beherrschen. Das ist eine Fähigkeit, die von alleine
kommt. Sobald sich der Mensch daran gewöhnt hat, sich jederzeit
innerlich zu sammeln, wenn das zu einem normalen Zustand geworden
ist, dann... konzentriert er sich automatisch auf allem, was
vorliegt. Und dann beginnt der Konflikt zwischen dem Äußeren und
dem Inneren zu verschwinden. Das heißt, die Praxis beruht faktisch
darauf, dass der Mensch am Anfang versucht, sich von den Einflüssen
der äußeren Welt abzuschirmen, nur um später zu ebendieser Welt
wieder zurückzukehren. Und dann verschwindet jeglicher Konflikt.
Deshalb sollte man keine Angst vor den Situationen haben, in denen
man für einen Idioten oder für ein schwarzes Schaf gehalten wird,
als jemand, der irgendwelchen komischen Tätigkeiten nachgeht,
wahrgenommen wird. In Wirklichkeit können bestimmte Menschen,
insbesondere Freunde und Verwandte, fühlen, dass sich jemand
ändert, dass sich seine Aufmerksamkeit und seine Gerichtetheit
geändert haben - der Mensch ist anders geworden. Und sie werden
sogleich versuchen, vom Egoismus geleitet, den Menschen wieder in den
bisherigen Zustand zurückzuholen. Warum? Weil die Menschen Angst vor
allem Unbekannten haben. Deshalb, wenn sie sehen, dass der Mensch
mehrere Jahrzehnte der eine war und dann plötzlich nur innerhalb von
wenigen Monaten ganz anders geworden ist, seine Freizeit anders
verbringt - das wird ihnen unheimlich, ist unverständlich, weil sie
sich das logisch nicht erklären können. Deshalb werden sie gleich
versuchen, den Menschen aus diesem Zustand herauszubringen, ihn wie
Ikarus zurück auf die Erde zu holen. Daher sollte man keine Angst
vor so etwas haben und die Praxis trotz allem fortsetzen. Mit der
Zeit wird der Konflikt verschwinden. Deshalb betone ich immer wieder,
dass das Vorhandensein der Konflikte ein Hinweis auf die Schwäche
des Menschen ist. Wenn der Mensch spirituell stark ist, ist er in der
Lage, jeden Konflikt zu vermeiden. Weil er in der Lage ist zu
verstehen, was andere von ihm wollen, so dass er in der Lage ist,
jeden Konflikt vorzubeugen. Deshalb ist der Konflikt zu Beginn
unvermeidlich, aber man sollte keine Angst vor ihm haben. Wichtig ist
- nicht stehenbleiben und weitergehen.
Zum
Trost aller Praktizierenden kann man sagen, dass die Energie, welche
mit der Zeit im Menschen emporkommt, nicht sinkt. Man kann sagen,
dass ein Mensch, der sich eine Zeit lang mit der Praxis der
Konzentration und der Meditation beschäftigt hat, in der Lage sein
wird, auch nach einer Pause von einigen Jahren zu seinen Übungen
zurückzukehren. Und er holt sich seine bisherigen Erfahrungen sehr
schnell zurück. Je mehr Erfahrung der Mensch besitzt, desto mehr
Möglichkeiten zurückzukehren hat er - und das viel schneller als
ein Mensch, der ein absoluter Anfänger ist. Deshalb sollte man keine
Angst vor Abstürzen haben: sie sind unvermeidlich.
Die
Praxis wäre zu leicht, wenn der Mensch alle Entwicklungsniveaus
sofort durchlaufen und gleich Die Weisheit erlangen könnte. Deshalb
ist sie immer verworren und schwer. Wenn im Diamant-Sutra Buddha
Subhuti fragte, was er wählen würde: sofort Die Höchste
Vollkommene Weisheit oder Den Weg mit all den Fehlern und Stürzen -
antwortete er (Subhuti): "Ich würde Den Weg mit all den Fehlern
und Stürzen wählen". Weil andernfalls die Erleuchtung an sich
tot wäre. Der Weg ist jedoch die immerwährende Vervollkommnung,
Bewegung, eine ständige Bewegung vorwärts. Deshalb sollte man all
die Fehler und Stürze nicht fürchten, die der Mensch erleben wird.
Trotz allem muss man weiter praktizieren und nicht stehen bleiben,
sogar wenn man gestürzt ist. Und am Anfang ist die Praxis immer sehr
zerbrechlich: man kann mehrere Monate schuften, irgendwelche
Ergebnisse erreichen und dann plötzlich alles innerhalb von wenigen
Minuten verlieren, um dann von vorne anzufangen. Umso schneller wird
dagegen das bisherige Niveau wieder erreicht, man wird dafür weniger
Zeit brauchen und dadurch auch die Möglichkeit bekommen
weiterzukommen. Auf diese Weise kann man seine Praxis vertiefen. Die
Hauptsache ist - immer die Bestrebung haben und nicht stehenbleiben.
Der Mensch sammelt, wenn er täglich praktiziert, eine sehr große
Kraft. Erfahrungsgemäß erleben die Menschen, die drei bis sechs
Monate regelmäßig praktizieren, schon Konzentrations- und
Meditationszustände. Faktisch gilt das für alle Menschen,
unabhängig von ihrem Anfangsniveau. Der Großteil jedoch, mehr als
neunzig Prozent aller Menschen, erlebt dann tiefe Stürze, die oft
Jahre dauern, oft sogar drei oder fünf Jahre. Und das, weil sie mit
den Übungen aufhören. Die Menschen spüren, dass sie schon ein
bestimmtes Niveau haben, sie spüren irgendwelche Veränderungen in
sich selbst... und sie fahren die Übungsintensität herunter. In der
spirituellen Praxis ist es jedoch genauso wie im Sport: die
Intensität muss immer zunehmen. Wenn sie nicht zunimmt, sondern
gleich bleibt, setzt der Fall ein. Das heißt, eine stetige Bewegung
muss da sein, der Mensch muss bestrebt sein, immer mehr und mehr zu
leisten. Klar, wenn der Mensch mit der Praxis beginnt, gibt es nur
kleine Konzentrationsperioden, dann jedoch werden die Zeitabschnitte
immer länger, bis man sich die ganze Zeit konzentrieren kann.
Und
wenn das geschieht, werden das Innere und Äußere eins. Die Harmonie
tritt ein - die goldene Mitte. Aber zuvor wird es sehr viele Stürze
und Hindernisse geben. Sogar wenn der Mensch ein sehr hohes Niveau
der Praxis hat, solange er Die Weisheit nicht erlangt hat, gibt es
die Gefahr zu fallen. Weil ein spiritueller Zustand kein
wissenschaftlicher Titel ist: das kann man alles augenblicklich
verlieren. Man muss es immer aufrechterhalten und weiterentwickeln.
Das macht die tägliche Praxis notwendig. Das wird am wertvollsten
sein. Kein Zustand, keine Erfahrung - das alles ist noch nicht so
wertvoll. Wenn der Mensch jedoch täglich das Bestreben in sich
fördert, ist es sein spirituelles Niveau.
Die
Frage nach dem Willen und der Kraft.
Der
Wille und die Kraft... Hier kann man die zwei Aspekte Der Weisheit
betonen. Der erste und wichtigste Aspekt ist Das Wissen, der Zweite
ist Die Kraft. Das ist ungefähr so wie mit zwei Seiten einer
Medaille - das eine ist nicht möglich ohne des anderen. Ein Mensch,
der Das Wissen besitzt, die höchste und Vollkommene Weisheit
besitzt, ist zweifelsohne ein sehr starker Mensch. Denn es gibt
niemanden mehr, der ihn bezwingen könnte. Ein Mensch, der das weiß,
was ein anderer von ihm will, ein Mensch, der Gedanken und Wünsche
anderer Menschen fühlt - das ist schon ein starker Mensch, ein
Sieger. Deshalb bedeutet Das Wissen als solches schon Die Kraft. Aber
auch Die Kraft als solches, sie bedeutet auch Das Wissen. Wenn der
Mensch eine sehr große Kraft hat, heißt es, dass er sie auf eine
bestimmte Weise halten kann, sprich er besitzt das Wissen über diese
Kraft. Deshalb kann man die zwei Begriffe gar nicht getrennt
betrachten, sie bedeuten praktisch das Gleiche. So ist ein Mensch,
welcher Die Weisheit hat, in Wirklichkeit ein Mensch, der sowohl Das
Wissen als auch die Kraft hat. Es gibt viele Menschen, die sagen,
dass sie dieses oder jenes können. Wenn man sie aber bittet, das
alles materiell zu verwirklichen, stellt sich heraus, dass sie das
gar nicht können. Und es gibt auch viele andere... Romantiker,
Träumer, die vielleicht etwas im Inneren erleben, aber das niemals
draußen verwirklichen. Dies stellt noch keine spirituelle Kraft dar.
Wenn aber der Mensch, sagen wir mal, ein Wort geben kann und das auch
einhalten - das stellt schon eine große Kraft dar. Die Menschen,
welche große Kraft besitzen, werden vielleicht nicht von allen
gemocht, aber sie werden absolut von allen respektiert. Deshalb ist
die Kraft an sich schon eine wichtige und respekteinflößende
Kategorie. Sogar Tyrannen wurden zu allen Zeiten zwar vielleicht
nicht geliebt, aber dennoch als starke Menschen respektiert. Das
heißt, starke Persönlichkeiten, sie wurden immer von allen
respektiert. Genauso wie "Liebe", "Güte",
"Kraft" immer von allen Völkern respektierte und
bedeutende Kategorien waren, gilt das auch für das Wissen. Weil Die
Weisheit gleichzeitig Das Wissen und Die Kraft ist. Die beiden
Begriffe kann man nicht trennen. Der Moment, in dem ein Mensch
irgendwelches Wissen hat, ist folglich auch der Moment, in dem er die
Kraft hat, um Das Wissen zu verwirklichen. Und umgekehrt, wenn ein
Mensch Die Kraft hat, besitzt er demnach genug Wissen über den
betreffenden Gegenstand.
Und
der Wille?
Der
Wille ist der treibende Ursprung Der Kraft. Der Wille als solches
entsteht in jedem Menschen. Wenn der Mensch Das Wissen besitzt, ist
er in der Lage, dieses Wissen zu verwirklichen. Faktisch ist Die
Kraft jenes, was Das Wissen verwirklicht. Was diesen Prozess aber
treibt, das ist der Wille. Der Mensch ist in der Lage, den Willen
durch unterschiedliche Dinge zu verwirklichen. Der Verstand stellt
faktisch das Instrument dar, durch das der Mensch seinen Willen in
die Tat umsetzen kann. Sagen wir mal, der Mensch schafft sich eine
Einstellung und mit Hilfe dieser Einstellung kann er sich selbst und
auch die anderen Menschen in Bewegung bringen. Auf diese Weise kann
man den Verstand zweckkonform nutzen, so dass der Verstand ein Diener
und nicht der Herr ist. Der Mensch kann für sich ein bestimmtes Ziel
formulieren. Und wenn das Ziel gesetzt ist, kann der Mensch sich auf
dieses zubewegen und er kann es genauso den anderen Menschen
aufzeigen. Und der Wille, welcher in dieser mentalen Einstellung
reflektiert wird, wird das alles antreiben. Dann kann der Mensch,
sagen wir mal, eine bestimmte Einstellung äußern, und diese wird
auch für andere Menschen wirksam werden. Der Mensch kann eine
bestimmte Geste machen und dadurch die anderen Menschen stark
beeinflussen. Oft gelten große Redner als ziemlich unscheinbare
Menschen. Lenin galt zu seiner Zeit als ein großer Redner, obwohl
diejenigen, die ihn auf Fotos oder auf der Leinwand erlebt haben,
sahen, dass er im Großen und Ganzen ein kleiner und unscheinbarer
Mensch war. Aber all seine Zeitgenossen berichteten, dass er sehr
stark auf sie gewirkt hat, wenn er auf Versammlungen aufgetreten ist.
Da war eben der Wille, den es in ihm gab und der ihn und die anderen
bewegt und befeuert hat. Das ist eben der treibende Ursprung.
Der
Wille ist an sich ein sehr gefährliches Instrument. Weil der Mensch
Die Kraft nicht nutzen kann, solange er kein Wissen besitzt. Weil Die
Kraft einem Ross ähnelt, das immer reitet. Die Kraft ist ein
Instrument, welches man unbedingt nutzen muss. Das heißt, man darf
sie nicht dauernd in sich halten, sparen oder sammeln: sie muss immer
angewendet werden, dann wird sich verwirklichen. Andererseits wenn
sie zweckentfremdet wird, kann sie wie ein Bumerang zu ihrem Besitzer
zurückkehren. Deshalb braucht man Das Wissen, um Die Kraft zu
steuern. Ansonsten kann Die Kraft ihren Besitzer vernichten. Eben aus
dem Grund ist es in spirituellen Praktiken üblich, dass das, was als
Siddhis bezeichnet wird, nicht jedem Neuankömmling gegeben wird,
dafür muss man zahlreiche Einweihungsstufen passieren. Weil der
Mensch zuerst Das Wissen erlangen muss. Und wenn er Das Wissen
besitzt, wird er Die Kraft nutzen können, die er durch seine Praxis
bekommt. Nie wurde es umgekehrt gemacht. Eben deswegen hat man in den
fernöstlichen Traditionen öffentliche Demonstration von Wundertaten
vermieden. Das war immer die Domäne der Gaukler, der Fakire und
ähnlicher Typen gewesen.
Die
Lehrer haben immer den inneren Zustand demonstriert und normalerweise
keine äußeren Wunder. Meistens waren das irgendwelche
Ausnahmefälle, in denen jemand ein Wunder zur Schau gestellt hat.
Die Menschen sahen es wie einen Kometenschweif: etwas ist an ihnen
vorbeigerauscht, aber sie sehen es nicht als Ganzes. Sie sahen, dass
jemand etwas getan hat, aber wieso er das getan hat, konnten sie
nicht sagen. Eben deswegen zogen es Die Lehrer vor, keine Fanatiker
in Massen großzuziehen, sondern solche Schüler zu haben, die den
Glauben haben sowie das Verstehen dessen, was sie tun. Eben das
Verstehen in erster Linie und keinen blinden Glauben an ein neues
Idol. Und Die Kraft, die kam später dazu. Und nachdem die Kraft dann
da war, konnten die Schüler diese durch ihren Willen verwirklichen.
Viele
sind von Anfang an bestrebt, irgendwelche Siddhis, übernatürliche
Kräfte zu erlangen, um etwas zu beherrschen. Oder sie suchen
unterschiedliche "Medaillen": hier die Medaille eines
Erleuchteten, die Osho-Medaille oder die von Aurobindo, die von
irgendeinem anderen Heiligen, die Christus-Medaille oder zumindest
die von einem seiner Apostel... So werden die Menschen nicht in der
Lage sein, etwas in ihrer spirituellen Praxis zu erreichen, weil sie
nicht aufrichtig sind: einerseits wollen sie die Medaille,
andererseits wollen sich spirituell entwickeln. Sie müssen sich
entscheiden, was sie möchten: eine Medaille oder spirituelle Praxis.
Nur
dann werden sie praktizieren können.
Deshalb
steht Das Wissen am Anfang der spirituellen Praxis. Jedoch wäre es
falsch zu behaupten, dass Das Wissen primär ist und Die Kraft
sekundär. Genauso kann man nicht feststellen, ob Die Weisheit oder
die innere Sammlung primär ist. Wenn der Mensch die innere Sammlung
erreicht, erreicht er auch Die Weisheit. Und umgekehrt, wenn der
Mensch Die Weisheit besitzt, bedeutet es auch, dass er die innere
Sammlung besitzt. Genau so war es immer. Wenn jemand beginnt, das
Erste aus dem Zweiten herauszulösen, ist es ungefähr so, als würde
man behaupten, was am Anfang war - das Licht oder die Finsternis,
oder, was böse und was gut ist. Das heißt, der Mensch würde wieder
in den Kreis irgendwelcher relativen Begriffe geraten und ihn niemals
verlassen. Wenn der Mensch jedoch Die Weisheit erreicht, ohne dabei
zwischen dem Ersten und dem Zweiten zu differenzieren, wird er diesen
Zustand erfahren können. Und der Zustand wird ihm selbst den
richtigen Weg weisen, er wird ihm Die Kraft und Das Wissen geben, die
er braucht. Und dann wird der Mensch irgendeine Handlung ausführen -
und gleichzeitig wird Die Kraft emporkommen, die notwendig ist, um
diese Handlung auszuführen. Nicht zuvor und nicht danach - sondern
exakt im selben Moment kommt Die Kraft, die man für die Handlung
benötigt.
Die Frage darüber, ob man
sich auf unterschiedlichen Körperstellen konzentrieren kann und über
das Entstehen des Gedanken "Ich konzentriere mich".
Das
würde heißen, dass der Verstand uns sagt: "Hey, hör mal auf,
diesen Gedanken zu verwenden, verwende lieber den Gedanken "ich
konzentriere mich". Dieser Gedanke ist bequemer, er ist größer
und verständlicher als die anderen. Es ist leichter, mit diesem
Gedanken zu operieren, und man kann bereits behaupten, dass irgendein
Prozess gerade im Gange ist. Man darf dem Verstand niemals solche
Vorwände liefern, weil er sehr schlau ist. Wenn er spürt, dass er
den Menschen irgendwo erwischt hat, den egoistischen Ursprung
getroffen hat - wird er sofort versuchen, an dieser Stelle
durchzubrechen.
Was die Konzentration auf
Körperteilen angeht, rate ich meistens ab, so etwas am Anfang zu
tun. Klar, man kann bestimmte Empfindungen erreichen, wenn sich der
Mensch auf irgendwelchen Körperteilen konzentriert. Aber
gleichzeitig findet an diesen Stellen auch ein großer Energie- und
Blutzufluss statt. Und viele Menschen erreichen auf diese Weise, wenn
sie bestimmte Yoga-Techniken ausführen, unterschiedliche veränderte
Bewusstseinszustände, und das ohne Drogen, nur durch psychische
Übungen. Das kann man nur dadurch erreichen, dass eine bestimmte
zusätzliche Blutmenge in den Kopfbereich fließt, oder umgekehrt,
aus dem Gehirn abfließt - und so entsteht der veränderte Zustand,
die veränderte Wahrnehmung der Realität. Viele Menschen beginnen,
sich an diese Bilder zu klammern, darin zu schwimmen - und bekommen
dadurch neue Bilder. Das heißt, sie haben eine Realität durch eine
andere ersetzt: zuvor haben sie alles auf eine Weise gesehen und
jetzt sehen sie es anders. Irgendwelche interessanten Empfindungen
oder Beobachtungen können aufkommen, jedoch werden das nur die
Tricks des Verstandes sein, die den Menschen erwischen und ihn an die
Leine irgendwelcher mentalen Einstellungen nehmen werden. Deshalb
sollte man so etwas vermeiden, insbesondere solche unkontrollierbare
Situationen. Wenn ein Mensch nicht genau weiß, wie man mit
bestimmten Körperteilen arbeiten sollte, kann er sich selbst auch
unabsichtlich Schaden zufügen, insbesondere, wenn er täglich große
Energiemengen dorthin drückt. Das kann zu völlig unkontrollierbaren
Prozessen führen.
Deshalb
biete ich zuerst nur ganz ungefährliche Techniken an, sprich solche
Techniken, die dem Menschen prinzipiell keinen Schaden zufügen
können. Das heißt, da kann es nur zwei Resultate geben: entweder es
klappt etwas oder es klappt gar nichts. Das heißt, ganz
ungefährliche Techniken, weshalb diese besser als Techniken der
Konzentration auf Chakras oder beliebige ähnliche Techniken sind.
Weil es besser ist, vorerst nur eine Technik zu praktizieren.
Übrigens, das ist auch ein Trick des Verstandes: der Verstand fühlt
gleich, dass eine Technik ihm zu wenig ist, er braucht noch eine.
Mehrmals kam bei mir ein Kerl vorbei. Er kam einmal pro Woche und
bekam jedes mal drei bis sieben neue Techniken. Jede Woche kam er
vorbei und meinte: "Das klappt bei mir nicht, das ist für mich
nicht interessant; diese, so fühle ich, passt mir nicht - geben Sie
mir bitte eine neue Technik". Tja, wenn der Mensch bittet, gebe
ich es ihm. Und so kam der Mensch lange Zeit vorbei und sammelte eine
Vielzahl unterschiedlicher Techniken obwohl ich mir nicht sicher bin,
dass er auch ein bisschen Fortschritt in der Praxis erzielt hat.
Deshalb ist es besser, nur eine Technik zu verwenden. Im Endeffekt,
wenn die innere Gesammeltheit zum natürlichen Zustand für den
Menschen geworden ist, wird alles zu einer Technik. Und dann wird
alles, was man verschiedenen Texten entnehmen kann: beispielsweise
meditativer Schritt, meditative Atmung, meditative Arten der Arbeit -
all das wird zu überflüssigen Techniken. Wenn die Konzentration für
den Menschen zum natürlichen Zustand wird, wird er sich auf allem
konzentrieren. Und all diese zauberhaften Techniken werden für ihn
einfach überflüssig. Eine Technik wird völlig ausreichend sein.
Manchmal
kann der Mensch die Notwendigkeit irgendwelcher neuen Techniken
spüren. Aber, um er noch mal zu betonen, ich rate, nicht voreilig zu
sein, und lieber etwas zu warten. Und dann, wenn das Bedürfnis nach
einer neuen Technik bleibt, nur dann kann man die Technik wechseln.
Darüber
gibt es eine sehr bekannte Geschichte. Ein Bauer, der weder schreiben
noch lesen konnte, hat in einem Tempel ein Stück von einem Mantra
gehört. Er fing an, das Mantra zu praktizieren und hat einen
gewissen Erfolg darin erzielt. Eine Weile ist vergangen und er hat
einen anderen Bauer getroffen, welcher ein Schüler bei einem Lehrer
war. Und dieser meinte zu ihm: "Du liest das Mantra falsch".
Er erklärte ihm, wie man es richtig vorlesen muss. Der Bauer begann
mit dem richtigen Mantra zu arbeiten und stellte plötzlich fest,
dass die Praxis nachgelassen hat. Daraufhin ging er zu dem Lehrer und
fragte ihn, was er tun sollte. Der Lehrer sagte: "Praktiziere
das Mantra, das du am Anfang praktiziert hast". Und als der
Bauer zu dem Mantra zurückgekehrt war, kam seine Praxis wieder in
Schwung. Das heißt, man sollte keine besonderen und ausgefeilten
Techniken erfinden - eine Technik reicht immer.
Aber
man sollte sich auch niemals zwingen. Man sollte beispielsweise nicht
die Aufmerksamkeit mit etwas ganz Bestimmten "vergewaltigen".
Wenn die Aufmerksamkeit sich zu verschieben beginnt, beispielsweise
auf irgendwelche Tätigkeiten, ganz spontan und unbeabsichtigt, ist
das überhaupt nicht schlimm. Genauso wenn der Mensch sich länger
konzentrieren möchte als er sich vorgegeben hat, sollte man nicht
versuchen, sich selbst zu stoppen. Lasst die Konzentration
weiterlaufen, lasst es zu einem spontanen und natürlichen Prozess
werden. Jedoch sollte man so etwas nicht mit dem Verstand
verwechseln. Weil die Praxis, insbesondere am Anfang, ein sehr
schwerer Prozess ist. Der Verstand wird einem immer zuflüstern, dass
es sehr schwer ist, und der Mensch wird spüren, dass es so ist. Das
ist so wie Osho einmal meinte: "Versuchet eine Minute nicht zu
denken und ich mache euch zu Erleuchteten". Wenn man das den
Menschen sagt, erwidert jeder, dass eine Minute über gar nichts zu
denken gar nicht schwer ist. Wenn du dem Menschen vorschlägst, so
etwas praktisch zu tun, wird ihm plötzlich klar, dass es ein extrem
komplizierter Prozess ist - eine Minute über wirklich gar nichts zu
denken. Deshalb sollte man nicht auf die Tricks des Verstandes
reinfallen. Man sollte den Verstand steuern, man sollte ihn
unterwerfen. Ohne Frage, aller Anfang ist schwer, auch hier. Aber
auch hier muss man den Mittelweg finden. Deshalb, wenn die
Aufmerksamkeit sich auf irgendwelche Körperteile zu verschieben
beginnt, wenn das ganz spontan und unbeabsichtigt geschieht, lasst es
einfach sein. Aber so etwas als Ziel der eigenen Praxis zu definieren
- das sollte man am Anfang vermeiden.
Gibt es noch Fragen? Oder sind
alle schon müde? Auch hier sollte man "die goldene Mitte"
wahren. Der Mensch hat eine bestimmte Schwelle bei der
Aufmerksamkeit, nach deren Überschreiten diese beginnt nachzulassen.
Deshalb sollten wir, glaube ich, für heute Schluss machen und uns
lieber das nächste Mal unterhalten. Bis dann.
05.09.1995
Copyright © 2014 Sergey Bugaev und Vladimir Kuzin. Alle Rechte vorbehalten.
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